Viktoria Grünwald
Viktoria Grünwald

Durchschnittlich gehen die Deutschen 6,2 Mal im Jahr zum Friseur.
Für Julia Nikoleisen sind die dabei entstehenden Abfälle ein wertvoller Rohstoff. In ihrer Masterarbeit entwickelte die Designerin ein nachhaltiges Garn, welches auch Menschenhaar beinhaltet.

Wie bist du auf die Idee gekommen, Menschenhaar in Textilien zu verarbeiten?

Tatsächlich habe ich davon geträumt, wie ich ein Garn aus Haaren spinne und damit Kollektionsmodelle kreiere. Das war kurz vor dem Beginn meiner Masterarbeit, als ich noch kein Thema hatte. Ich wusste vorher nur, dass ich für die Produktion gerne alle Stationen der textilen Kette durchlaufen möchte, also von der Auswahl der Rohstoffe bis zur Herstellung des Garns und dessen Weiterverarbeitung.

Was war deine Motivation für das Projekt?

Diese lag vor allem im Aspekt der Nachhaltigkeit. Es landen jährlich tonnenweise Haare im Müll. Dabei ist Haar ein durchaus in Betracht zu ziehender Rohstoff, der nachwachsend und biologisch abbaubar ist. Durch die Verwertung von Haar kann die Nachfrage anderer Ressourcen, ob nun Baumwolle, Wolle oder gar synthetische Materialien, um bis zu 20% reduziert werden.

Woraus genau besteht das Garn und wie lief der Herstellungsprozess ab?

Ich habe drei verschiedene Garne entwickelt. Den Anfang machte die Mischung aus Seide und Haaren. Diese besteht aus 90% Ahimsa-Seide und 10% Haaren. Für das zweite Garn benutzte ich 15% Haare, 35% Baumwolle und 50% Wolle. Das dritte Garn enthält mit 20% Haaren und 30% Fell die größte Menge an Haar. Die restlichen 50% sind Wolle. Die Entwicklung der richtigen Mischungen erforderte sehr viel Geduld und mehrere Versuche. Dadurch, dass unsere Haare eher dick und glatt sind, benötigen sie ein Trägermaterial, um versponnen werden zu können. Tierisches Fell hingegen hat einen leichten Flaum, ähnlich wie Wolle, was die Verarbeitung wiederum erleichtert.

Woher beziehst du deine Rohstoffe?

Ich bekam Unterstützung von verschiedenen Unternehmen. Über die niederländische Firma „Texperium“, die auf Recycling spezialisiert ist, erhielt ich Rohwolle und Baumwollkämmlinge, die in der Produktion für gewöhnlich keine Verwendung mehr finden.  Ahimsa-Seide, auch „non-violent silk“ genannt, bezog ich von „Seidentraum“ in Berlin. Die Seide selbst wird in Indien produziert. Dafür werden keine lebenden, sondern bereits geschlüpfte Kokons verwendet. 

„Hofstetter Pelze“, ein Familienbetrieb aus Frankfurt, sponserte Felle vom Rotfuchs. Dieser muss aufgrund von Überpopulation in deutschen Wäldern gejagt werden. Meist werden die Tierfelle eher entsorgt als wiederverwertet. Das finde ich traurig, da die Wertschätzung dem Tier gegenüber so verloren geht.

Die menschlichen Haare bekam ich von der lokalen Friseurkette „Unic“ in Mönchengladbach. Deren Kunden wurden über mein Projekt mit der offenen Möglichkeit dafür, ihre Haare für einen guten Zweck zu spenden, aufgeklärt.

Hast du auch Haare von dir oder Freunden dafür recycelt?

Natürlich! Meine Nichten, Freundinnen, Kommilitoninnen sowie viele weitere tolle Menschen haben meine Idee unterstützt. Abgesehen davon war ich selbst meine beste ­Spenderin!

Quelle der Statistik: Procter & Gamble © Statista 2018